Design als Katalysator für Wohlbefinden: Designevent bei Humanscale in New York
Wie Design Verantwortung übernimmt – und zu einem Werkzeug für Wohlbefinden wird: Im Rahmen eines Talks Ende Oktober kamen im New Yorker Büro von Humanscale Vertreter:innen aus Architektur, Design und Nachhaltigkeit zusammen, um über die transformative Kraft von Gestaltung zu sprechen.
Unter dem Titel «Design as a Catalyst for Well-being», initiiert von iF Design und Humanscale, diskutierten Lisa Gralnek, Geschäftsführerin von iF Design USA, Suchi Reddy, Gründerin von Reddymade Architecture and Design, und Sergio Silva, Design Director bei Humanscale, darüber, wie Design über das rein Formale hinaus wirken kann – als Werkzeug für Gesundheit, Empathie und Verantwortung. Moderiert wurde der Abend von Autor, Kurator und Künstler Adrian Madlener. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie Gestaltung nicht nur auf den Menschen reagiert, sondern aktiv zu seinem Wohlbefinden beiträgt – physisch, emotional und gesellschaftlich.
„Design ist kein isolierter Akt der Formgebung, sondern Teil eines größeren Systems“, sagte Sergio Silva. Von der Wahl der Materialien bis zu Fragen der Langlebigkeit und Kreislauffähigkeit müsse jede Entscheidung darauf ausgerichtet sein, Wirkung über den Moment hinaus zu entfalten. Humanscale verfolgt diesen Ansatz konsequent. Das Unternehmen bilanziert seine Produkte als Net Positive, das bedeutet, sie geben mehr zurück, als sie verbrauchen.
Silva betonte, dass Gestaltungsprozesse nicht beim ästhetischen Ausdruck beginnen sollten. „Wenn man sich zu früh auf das Aussehen festlegt, schließt man Wege der Entdeckung und Problemlösung“, erklärte er. Nachhaltiges Design, so Silva weiter, beginne in der Beziehung zwischen Mensch und Objekt. „Für uns heißt das, Produkte zu schaffen, die nicht nur verantwortungsvoll hergestellt, sondern zutiefst menschzentriert sind. Dinge, die Menschen lieben und behalten“, sagte er.
Freedom Chair von Humanscale, iF DESIGN AWARD 2000
Wenn Design eine emotionale Bindung schafft, kann es das Verhalten verändern und Konsumverhalten hin zu Achtsamkeit und Wertschätzung lenken. Ein Beispiel ist der Freedom Chair, seit 25 Jahren nahezu unverändert und doch zeitlos aktuell. „Diese Beständigkeit und intuitive Funktion schaffen Vertrauen. Das ist Nachhaltigkeit in ihrer menschlichsten Form“, so Sergio Silva.
Diese Haltung prägt auch Todd Bracher, seit 2023 Creative Director bei Humanscale. Der New Yorker Designer gilt als Vordenker evidenzbasierter Gestaltung, die wissenschaftliche Erkenntnisse mit einer klaren, reduzierten Formensprache verbindet. Für Humanscale entwirft er Möbel, die intuitiv auf den Körper reagieren und damit das Wohlbefinden fördern.
Suchi Reddy, Gründerin des New Yorker Studios Reddymade, betonte, dass Wohlbefinden bereits in den kleinsten gestalterischen Entscheidungen beginnt. In der Zusammenarbeit mit Humanscale für den Chicago-Showroom wurde jedes Material auf Herkunft, Produktionsbedingungen und soziale Verantwortung geprüft. „Es ging darum, mit so wenig wie möglich zu arbeiten und dennoch Wärme und Großzügigkeit zu erzeugen“, sagte Reddy. Ihr Ansatz, den sie «Form follows feeling» nennt, verbindet Nachhaltigkeit mit Neuroästhetik: Wie wirken Proportion, Licht und Haptik auf Körper und Wahrnehmung? Ihre Haltung zeigt, dass Wohlbefinden nicht das Ergebnis, sondern der Ausgangspunkt von Gestaltung sein kann.
Auf institutioneller Ebene verfolgt iF Design denselben Anspruch. Lisa Gralnek betonte, dass Verantwortung heute integraler Bestandteil von Designqualität sein muss. „Wir verstehen Nachhaltigkeit als sozialen und ökologischen Wert zugleich“, erklärte sie. Seit 2024 ist das Thema fest in die Bewertungskriterien des iF DESIGN AWARD integriert – mit einem Anteil von 20 Prozent an der Gesamtbewertung, gleichberechtigt neben Idee, Form und Funktion. „Damit wollen wir zeigen, dass Designqualität nicht nur im Ergebnis liegt, sondern im Denken dahinter.“
Am Ende wurde deutlich: Wohlbefinden entsteht nicht durch Form, sondern durch Haltung. Gutes Design schafft Bedingungen, in denen Achtsamkeit und Verantwortung selbstverständlich werden. Es dominiert nicht, es öffnet: für Begegnung, Vielfalt und eine lebenswerte Zukunft.