Lesezeit: 5 min | Sep. 2021

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Interviews

"Niemand muss ein schlechtes Gewissen haben, wenn er zu Hause badet oder duscht!"

Die ISH in Frankfurt, Deutschland, das weltweit bekannteste Schaufenster für Sanitärinstallationen, steht vor der Tür.

Interview mit Andreas Dornbracht

Vor dem Start der ISH am 11. März sprachen wir mit Bad- und Sanitärexperte Andreas Dornbracht von der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) und Vorstandsmitglied der ISH über die Trends der Branche und die Bedürfnisse der Kunden.

Andreas Dornbracht

Andreas Dornbracht ist ein erfahrener Experte in der Bad-, Sanitär- und Küchenbranche. Er ist Vorsitzender der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) und Vorstandsmitglied der Messe ISH in Frankfurt. Außerdem ist er zusammen mit seinem Bruder Matthias Geschäftsführer der Dornbracht-Gruppe. Schon bald nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland arbeitete er für ein Sanitärunternehmen in den USA als Vice President Marketing und trat später in die Geschäftsführung der familieneigenen Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG, ebenfalls für Vertrieb und Marketing, ein. Heute hält die Dornbracht-Gruppe die Marken Dornbracht und Alape sowie eine Lizenz an Villeroy & Boch.

iF: Herr Dornbracht (AD), Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema in der Bad- und Sanitärbranche. Aber auch für die Gesellschaft im Allgemeinen. Gleichzeitig verbringen die Menschen laut Statistik mehr Zeit in ihren Badezimmern und baden oder duschen viel länger. Das ist doch ein Widerspruch, oder?

AD: Aus unserer Sicht nicht - und wir tun auch alles dafür, dass das so bleibt. In Deutschland verbraucht jeder Mensch 123 Liter Trinkwasser pro Tag. Das sind sogar 16 Prozent weniger als 1990. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Reduzierung des Wasserverbrauchs an der Spitze - und das trotz offensichtlich ausreichender Wasserressourcen! Verantwortlich für diese positive Entwicklung sind die deutschen Hersteller, die mit innovativen Produkten und intelligenten Systemen für einen sorgsamen Umgang mit der Ressource Wasser in den privaten und (halb-)öffentlichen Toiletten sorgen: Neue wassersparende Spültechniken für Toiletten, intelligente elektronische Armaturen und wassersparende Duschen reduzieren nicht nur den persönlichen Wasser-, sondern auch den Stromverbrauch. Weniger Wasser zu verbrauchen bedeutet, weniger Strom für die Erwärmung des Wassers zu verbrauchen. Die Bemühungen des Herstellers, dieses Ziel zu erreichen, beginnen bereits bei der Produktion: Hinter allen Armaturen, Badewannen, Duschen und hochwertigen Badmöbeln stehen durchdachte Produktionsprozesse, die darauf ausgerichtet sind, die Umwelt und unsere Ressourcen zu schonen. Für unsere Arbeit ist Wasser aber immer in erster Linie ein Träger von Erlebnissen und Emotionen und nicht nur ein Mittel, um unsere Hygiene zu betreiben. Die Hingabe an die Natur in dieser stressigen Zeit ist eine logische Konsequenz. Deshalb ist das vielseitige Thema Wasser, das mit einem sehr primären Körper- und Naturerlebnis verbunden ist, vor allem im Bad greifbar. Wir betrachten Wasser nicht nur als ein Naturphänomen, sondern als Teil unserer Kultur. So ist es nicht verwunderlich, dass alle wichtigen Wasserexperten auf der ISH in Frankfurt vertreten sind. Zu dieser individuellen Badekultur wird in Zukunft auch das private Bad hinzukommen - eine Kultur, die ohne Wasser nicht denkbar ist. So muss niemand ein schlechtes Gewissen haben, wenn er zu Hause badet oder duscht!

"Wir prognostizieren, dass der mutige Einsatz von Farbe das minimalistische Understatement als Signal für Eleganz und Designbewusstsein ablösen wird."
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iF: Minimalismus, Grau und Beige oder reines Weiß? Was sind, abgesehen vom nachhaltigeren Bad, die großen Trends?

AD : Aus Verbrauchersicht gibt es vier Haupttrends für Badezimmer:

1. Das Thema Farbe: Farbe ist nicht nur ein Trendthema, sondern ein Mittel zur Differenzierung und Aufwertung des Bades. Moderne Lifestyle-Bäder werden immer bunter und scheinen die lange Ära der weißen Dominanz zu beenden oder zumindest zu reduzieren. Farben beeinflussen nicht nur die Planung, sondern auch das Design von Bädern. Unsere Prognose ist, dass der mutige Einsatz von Farbe das minimalistische Understatement als Signal für Eleganz und Designbewusstsein ablösen wird. 2. Auch bei den Materialien gibt es eine Vielfalt an neuen Stilen: Neben Holz, Marmor und neuen metallischen Oberflächen für Armaturen spielen auch Möbel und Accessoires eine entscheidende Rolle. Der Badgestalter kann nicht nur mit schummrigen oder glänzenden Oberflächen spielen, sondern auch völlig neue Gestaltungselemente umsetzen. 3. Sehr wichtig ist auch das Bemühen der Hersteller, intelligentere, vernetzte und umweltfreundlichere Produkte zu entwickeln. Die Stichworte lauten Hygiene, Wassermanagement und Umweltverträglichkeit. 4. Ein entscheidender vierter Trend, vor allem in Deutschland, ist das altersgerechte, barrierefreie Bad und zusätzlich das Pflegebad, das wir mit unserem Projekt " Aktion Barrierefreies Bad ", gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier, unterstützen. Immer mehr Menschen haben den Wunsch, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden statt im Pflegeheim zu leben. Um älteren oder behinderten Menschen diesen selbstbestimmten Lebensalltag zu ermöglichen, muss ihr Zuhause auf ihre speziellen Pflegebedürfnisse abgestimmt sein. Die unmittelbare Umgebung dieser Menschen ist in der Tat architektonisch oder möblatorisch selten auf solche Veränderungen im Leben vorbereitet. Das Badezimmer spielt eine entscheidende Rolle, wenn häusliche Pflege gewünscht wird. Das Bad ist auch der Arbeitsplatz für die Pflegenden und muss die Anforderungen entsprechend erfüllen!

iF: Das Bad ist nicht mehr nur eine Notwendigkeit, sondern für viele Menschen ein Stück Wellness - auch in den kleinsten Wohnungen. Was meinen Sie: Warum verbringen die Menschen immer mehr Zeit im Bad und ruhen sich dort immer häufiger aus? Und wie spiegelt sich diese Entwicklung in der modernen Badgestaltung wider?

AD : Die Menschen neigen heute dazu, individueller, komfortabler und gesundheitsbewusster zu leben - das zeigt sich auch im modernen Bad. Das Design wird viel wohnlicher" und steht im klaren Gegensatz zu den klassischen Einrichtungstrends von Bädern. Gleichzeitig gewinnen neue Technologien immer mehr an Bedeutung: Aktuelle Statistiken zeigen, dass sich die Menschen rund 40 Minuten im Bad aufhalten, das sind genau 4 Minuten mehr als 2006. Der Wunsch der Kunden nach moderneren, lifestyle-orientierten Bädern ist eindeutig vorhanden. Rund 16,7 Millionen Deutsche planen, in den nächsten Jahren in ihr Bad zu investieren. davon planen 6,2 Millionen eine komplette oder teilweise Renovierung und 10,2 Millionen die Anschaffung einzelner Bad-Accessoires oder Möbelstücke. Favoriten sind demnach alle Produkte rund um den Waschplatz, bodengleiche Duschen und altersgerechte Umbauten. Auf der ISH wird es viele dieser Neuheiten geben, die das Bad wohnlicher machen. Individualität und weniger Langeweile werden immer wichtiger, vor allem wenn es um Farbe geht. Hersteller und Designer greifen dieses Bedürfnis nach mehr Individualität und mutigem Design auf und präsentieren eine Vielfalt an Oberflächen und ungewöhnlichen Arrangements. Dementsprechend zeigt die ISH 2019 viele Trends, die die wachsende Bedeutung des "Lifestyle-Bades" unterstreichen. Das Trendforum "Pop up my Bathroom" der Messe Frankfurt und der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) zeigt mit der Show "Color Selection", welche Möglichkeiten die aktuellen Farbtrends für die Innenarchitektur der Sanitärbranche eröffnen.

iF: Früher gab es einfach ein Duschradio. Heute gibt es Smart Homes - wie "smart" wird das Bad von morgen sein?

AD : Smart Home-Geräte sind nicht mehr nur ein Gimmick für Technikfreaks, sondern erreichen einen breiteren Teil der Haushalte. Das liegt an den vielen verschiedenen digitalen Geräten und ihren Möglichkeiten, die es heute gibt. Während die intelligenten Elemente früher nur der Unterhaltung und dem Komfort dienten, haben sie heute viele andere nützliche und nachhaltige Funktionen wie Hygiene oder Energie- und Wassereinsparung. Smarte Haushaltsgeräte im Bad können also helfen, die Umwelt zu schützen und die eigene Gesundheit zu fördern. Dennoch findet man smarte Bäder nicht in vielen Haushalten. Laut einer deutschen Statistik von Blue Responsibility für die GfK, einer Initiative von Sanitärherstellern, nutzen nur zehn Prozent intelligente Geräte im Bad. Dabei wird sich das "Smart Bathroom" in den nächsten Jahren immer mehr durchsetzen: Mehr als die Hälfte der Befragten kann sich vorstellen, bei der nächsten Renovierung smarte Lösungen, wie zum Beispiel einen Verbrühungsschutz, eine Schallbadewanne oder eine digital steuerbare Armatur, einzubauen. Ein Aspekt ist jedoch entscheidend, wenn es um das smarte Bad geht: 45 Prozent der Deutschen würden smarte Lösungen in ihrem Bad einbauen, um den Energie- und Wasserverbrauch zu kontrollieren und zu sparen. Diese nachhaltigen Vorteile von digitalen Lösungen spielen im Bewusstsein von fast der Hälfte der befragten deutschen Kunden eine wichtige Rolle. Zum Vergleich dazu: Nur 25 Prozent der Befragten geben an, smarte Geräte im Bad nur zur Unterhaltung und Information haben zu wollen - umso wichtiger ist die Nachhaltigkeit! Wenn es um smarte Lösungen geht, ist auch ein dritter Faktor wichtig: die automatisierte Warnung vor Wasserschäden per App. Rund 19 Prozent der Befragten sehen darin eine hohe Priorität im modernen Bad und würden eine Umsetzung in Betracht ziehen. Eine solche App könnte den Wasserverlust reduzieren - was wiederum dem Trend zu mehr Nachhaltigkeit und einem schonenden Umgang mit der Ressource Wasser entspricht.