"KI und Robotik sind große Themen im medizinischen Design"
"Für den Patienten und den Chirurgen zu entwerfen, ist die Herausforderung und die Kunst." Designer und iF Juror Sebastian Meier über die Hürden und Vorteile des Designs von MRT-Scannern und warum Hersteller mehr für Nachhaltigkeit ausgeben sollten.
Du bist auch in diesem Jahr wieder als Juror beim iF DESIGN AWARD tätig. Welche Innovationen siehst du bei den Einreichungen in der Kategorie Medicine/Health?
Künstliche Intelligenz ist ein großes Thema, ebenso wie die Robotik. Vor allem bei medizinischen Großgeräten ist die Robotik inzwischen voll integriert. Die Technologie ist so weit fortgeschritten, dass sie Dinge wie die Steuerung von Roboterarmen oder telemedizinische Anwendungen ermöglicht, bei denen der Arzt über einen Roboter aus der Ferne operiert.
Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit im medizinischen Design aus?
Nachhaltigkeit steht definitiv auf der Tagesordnung. Vor Jahren, als ich in Designjurys saß, unter anderem auch in der Jury des iF DESIGN AWARD, lag der Schwerpunkt auf Formfaktor, Farbe und Material. Wir haben immer die gleichen Fragen gestellt: "Ist es gut gestaltet? Sieht es gut aus? Ist es ergonomisch?" Aber jetzt ist Nachhaltigkeit nicht mehr wegzudenken - auch nicht bei den Bewertungen der Jury. Sie ist Teil der UN-Agenda, und das verändert die Arbeit von Designern, insbesondere von Produktdesignern. In der Medizintechnik sind die Zahlen anders. Die Produktionsmengen sind gering und die Anschaffungskosten hoch, so dass Geräte wie MRT-Scanner für eine Lebensdauer von 20 Jahren oder mehr gebaut werden. In diesem Zusammenhang geht es bei der Nachhaltigkeit nicht nur um recycelbare Kunststoffe. Die Schlüsselfragen lauten: Wie wird das Gerät hergestellt? Wie viel Energie verbraucht dieser Prozess? Nehmen Sie einen Kernspintomographen - er wird über Monate hinweg in mehreren Schichten gebaut. Selbst der Strom, der für die Beleuchtung des Arbeitsplatzes während der Produktion benötigt wird, ist beträchtlich.
Wie kann das medizinische Design noch nachhaltiger werden?
Die erste Frage lautet: Welche Energiequelle wird bei der Produktion genutzt? Derzeit sind die Hersteller auf Strom aus konventionellen Quellen angewiesen, aber es gibt bereits Überlegungen, Solarparks oder Windkraftanlagen an die Produktionsanlagen anzuschließen. Die Herausforderung besteht darin, dass dies trotz des Budgets Zeit erfordert: Genehmigungen, Zulassungen, das gesamte Verfahren.
Das klingt nach etwas, das Designer nicht allein lösen können.
Das stimmt. Wir brauchen neue Energie- und Wärmekonzepte, die auf kommunaler Ebene und von den Energieversorgern umgesetzt werden. Die Umstellung dieser Systeme ist ein gewaltiges Unterfangen. Als Designer haben wir aber immer noch die Kontrolle über die Materialauswahl. Das heißt, mehr recherchieren, Materialmessen besuchen und nach Alternativen suchen. Designer sind mit den verschiedenen medizinischen Kunststoffen und ihren Herstellern bestens vertraut, und jedes von uns verwendete Material muss strenge behördliche Genehmigungen erfüllen. Bei großen Geräten arbeiten wir seit Jahren daran, dass sie weniger klinisch aussehen, sondern eher wie Möbel, mit eleganten Holzfurnieren. Das hat psychologische Vorteile: Die Patienten fühlen sich wohler. Außerdem ist Holz ein erneuerbarer Rohstoff und kohlenstoffneutral. So können wir mehrere Bedürfnisse gleichzeitig erfüllen: Produkte mit natürlichen, authentischen Materialien freundlich und einladend gestalten und gleichzeitig die Nachhaltigkeitskennzahlen verbessern. Designer tragen eine große Verantwortung, und sie wächst. In Zukunft werden wir die gesamte Wertschöpfungskette - von den Rohstoffen über die Produktion bis hin zum Energieverbrauch - untersuchen und ganzheitliche Lösungen entwickeln müssen.
Bilder unten: Cubis® II Scale, iF DESIGN AWARD 2021 (links) und Mline® mechanische Pipette (alles Sartorius).
Das klingt für die Hersteller teuer. Wie überzeugen Sie Ihre Kunden, in Zeiten wie diesen in nachhaltigere Produkte zu investieren?
Das Hauptargument für Nachhaltigkeit ist die Marktdifferenzierung. Die Medizintechnik ist bekannt für Geräte, die alle den gleichen Kunststoff vom gleichen Hersteller in der gleichen Farbe verwenden. Wenn ich ein anderes, nachhaltiges Material verwenden kann - vielleicht sogar ein natürliches -, kann ich mich auf dem Markt abheben. Die Differenzierung ist ein wirksames Mittel, um die zusätzlichen Kosten gegenüber den Kunden zu rechtfertigen. Auch Krankenhäuser und Kliniken sind Dienstleister und stehen im Wettbewerb zueinander.
Wer ist der eigentliche "Kunde" im medizinischen Design?
Das ist eine gute Frage. Traditionell ist es der Chefarzt, der die Geräte bedient. Aber auch Krankenschwestern und Reinigungspersonal interagieren mit diesen Geräten. Und auf der anderen Seite ist da natürlich der Patient. Das ist die Kunst des medizinischen Designs: Auf der einen Seite entwirft man für einen Akademiker an der Spitze seines Fachgebiets. Der Arzt will präzise, scharfe Kanten - alles klar und klinisch. Idealerweise in kalten Farben und mit Metallic-Finish. Auf der anderen Seite brauchen Sie etwas Weiches und Freundliches, mit abgerundeten Kanten und warmen Farben. Das ist fast spielerisch. Ich habe immer gesagt, dass alles, was ich entwerfe, ein Lächeln auf den Lippen hat.
Über Sebastian Maier
Sebastian Maier ist einer der führenden Köpfe im deutschen Medizin-Design. Er studierte Maschinenbau an der TU Braunschweig und anschließend Industriedesign an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Schon vor seiner Karriere als Produktdesigner lehrte er als Dozent an der Universität. Anschließend arbeitete er als Produktdesigner für internationale Unternehmen, bevor er 2007 die Designagentur Corpus-C gründete, die sich unter seiner Leitung zu einer der führenden nationalen und internationalen Agenturen für Medical Design, Pharma- und Labordesign entwickelte. Sebastian hat zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen erhalten.